Karriere im Bereich Banking & Finance

Interview

Im Banking & Finance Bereich fließen Recht und Wirtschaft zusammen. Silke Fritz, Marta Zuliamis und Kieran Verdano, alle tätig in der Praxisgruppe Banking & Finance bei Baker McKenzie in Frankfurt, sprechen u.a. darüber, weshalb sie sich für genau dieses Rechtsgebiet entschieden haben, was den Reiz ihrer Arbeit ausmacht und welche Perspektiven der Bereich für den Nachwuchs bietet. 

 Zugunsten der Lesbarkeit haben wir auf geschlechterspezifische Schreibweise verzichtet. Wir bitten um Verständnis.












Frau Fritz, Frau Zuliamis, Herr Verdano, was reizt Sie am Banking & Finance?

Silke Fritz: Am Bereich Banking & Finance reizt mich besonders, dass man versucht, das gemeinsame Ziel der Parteien umzusetzen – und das oft innerhalb kurzer Zeit. Das führt meist dazu, dass die Verhandlungen zielgerichtet und lösungsorientiert sind. Auch wenn jeder Vertreter versucht, das Beste für seine Mandantin zu erreichen, arbeiten alle Parteien erfahrungsgemäß eng zusammen.

Banking & Finance vereint die Bereiche Recht und Wirtschaft. Von großem Vorteil ist es daher, wenn man nicht nur juristische Kenntnisse mitbringt, sondern sich auch für die wirtschaftlichen und politischen Aspekte und die mögliche Wechselwirkung aller Komponenten interessiert. Das ist es letztlich auch, was Mandanten verlangen und unser eigener Anspruch ist – nicht nur rechtlicher Berater, sondern Geschäftspartner und "trusted advisor" zu sein.

Kieran Verdano: Es ist die Mischung der Themen. Recht und Wirtschaft fließen hier besonders eng zusammen. Weder das eine, noch das andere ist reiner Selbstzweck. Im Bereich Banking & Finance kommt es besonders darauf an, beide Dimensionen in der Vertragsgestaltung und -verhandlung zu bedenken. So dürfen z.B. wiederholende Verpflichtungen des Kreditnehmers während der Laufzeit einer Finanzierung auf dessen Seite nicht zu unwirtschaftlichem Aufwand führen, dem spiegelbildlich auf Kreditgeberseite kein Mehrwert gegenübersteht. Ähnliches gilt für Fragen der Besicherung. Während sich der Kreditnehmer ausreichend Gestaltungsraum für sein Geschäftsmodell bewahren möchte, auch im Hinblick auf zusätzlichen Kapitalbedarf, z.B. für Investitionen, benötigt die Kreditgeberseite eine ausreichende und zielgerichtete Besicherung ihrer Forderungen. Genau dieses "Tauziehen" der Interessen, das sich über viele Ebenen spannt, macht den Reiz aus. Man ist an der Gestaltung eines "Maßanzugs" für die Parteien beteiligt, der über einige Jahre passen und an entscheidenden Stellen bei Bedarf auch anpassbar sein muss.

Hier gelangt man als Jurist in eine Materie, die die eigenen Fähigkeiten in hohem Maße fordert und gleichzeitig mit einer hohen Wachstumskurve belohnt. Veränderungen und Probleme müssen antizipiert, Risiken, die sich daraus ergeben, verringert werden. Gepaart mit der besonders engen wirtschaftlich-rechtlichen Verflechtung kann ich mir kaum einen spannenderen Bereich vorstellen als Banking & Finance.

Marta Zuliamis: Ich absolvierte neben einer juristischen Ausbildung auch ein Studium der internationalen Betriebswirtschaftslehre. Nach Abschluss meines Jura-Studiums stand für mich fest, dass ich im anwaltlichen Bereich tätig sein möchte. Doch gleichzeitig war es mein Wunsch, einen Tätigkeitsbereich zu finden, in dem ich neben meinen juristischen Fähigkeiten auch meine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse einbringen kann. So fiel meine Wahl schnell auf den Bereich Banking & Finance. In der Tat ist es so, dass ich bei meiner täglichen Arbeit davon profitiere, dass ich neben juristischen Fragen auch die wirtschaftlichen Treiber hinter einer Transaktion nachvollziehen und berücksichtigen kann – unabhängig davon, ob unsere Kanzlei als Berater der finanzierenden Banken tätig ist oder auf Seiten eines Mandanten, der eine Finanzierung in Anspruch nimmt.


Wie muss man sich die Zusammenarbeit mit anderen Praxisgruppen und den Banking & Finance Gruppen anderer Länder vorstellen?

Silke Fritz: Sobald es ein Projekt erfordert, sind andere Praxisgruppen und bei grenzüberschreitenden Mandaten, Kollegen in den betroffenen Jurisdiktionen mit an Bord. Durch den Full Service-Ansatz der Kanzlei können wir Mandanten in allen relevanten Bereichen beraten. Oft sind Kollegen aus den Bereichen Restructuring und Insolvency, Tax und Intellectual Property involviert und es bildet sich schnell ein eingespieltes Deal-Team.

So berieten wir kürzlich die Finanzierungsparteien i.Z.m. einer Restrukturierung eines internationalen Automobilzulieferers. Das Core Team bestand aus Kollegen der Bereiche Restructuring & Insolvency sowie Banking & Finance; Tax-Kollegen haben hierbei unterstützt. Das Projekt war auf mehreren Ebenen und auch organisatorisch eine Herausforderung. Es war toll zu erleben, wie unser Team bereichsübergreifend Hand in Hand gearbeitet und damit maßgeblich zum Erfolg der Transaktion beigetragen hat.

Es wird bei dieser Transaktion noch einen Teil geben, der diverse ausländische Büros involvieren wird in Jurisdiktionen, in denen Tochterunternehmen ansässig sind. Unter Leitung des deutschen Teams werden wir auch hier zusammenarbeiten. Wir kennen uns schon von vergangenen Transaktionen und sehen uns regelmäßig bei EMEA Praxisgruppentreffen sowie Fortbildungsveranstaltungen. So spielt es weniger eine Rolle, in welchem Büro ein Kollege sitzt, sondern dass wir auf ein gut funktionierendes Netzwerk zurückgreifen können.

Kieran Verdano: Es hat einen ganz besonderen Reiz, morgens die Kollegen in Asien zu begrüßen und abends auf der anderen Seite der Welt eine Frage an die Kollegen in die USA zu spielen, um dort die Lösung zu gemeinsam zu entwickeln.

Gleichzeitig bietet sich die Gelegenheit, die Besonderheiten anderer Rechtsbereiche und Jurisdiktionen kennenzulernen und dabei wertvolle Kontakte zu knüpfen. Durch die Vielzahl an Büros weltweit kann man sich in unserer Kanzlei als Banking-Jurist in vielerlei Hinsicht professionell "auf Reisen" begeben.

Marta Zuliamis: Ich arbeite seit mehr als zehn Jahren in unserer Kanzlei. Inzwischen kenne ich die meisten Kollegen, die in meinen Bereichen tätig sind, sehr gut - auch dank der Veranstaltungen und Möglichkeiten, die die Kanzlei bietet, um mit den Kollegen anderer Büros in Kontakt zu treten und sich zu vernetzen. Meine Schwerpunkte liegen in den Bereichen strukturierte Finanzierungen / Verbriefungen und Exportfinanzierungen. V.a. letzterer Bereich ist geprägt von einem grenzüberschreitenden Element. Es gibt kaum Transaktionen, bei denen wir nicht mit Kollegen in anderen Ländern der Welt an dem Abschluss einer Finanzierungstransaktion zusammenarbeiten. Und es ist natürlich einfacher, einen Kollegen um Unterstützung zu bitten, wenn man auf einen persönlichen Austausch mit seinem Gegenüber zurückblicken kann. Mir persönlich macht die Arbeit auch mehr Spaß, wenn man den Namen, die man aus Emails oder von Telefonaten kennt, auch Gesichter zuordnen kann.


Frau Zuliamis, Sie sind ursprünglich im Wiener Büro der Kanzlei angesiedelt, arbeiten aktuell aus Frankfurt heraus. Wo merken Sie hier Unterschiede in der fachlichen Arbeit, wo ggf. auch in der Kultur/Zusammenarbeit im Team?

Marta Zuliamis: Ich absolvierte mein Jura-Studium in Wien und stieg nach Abschluss meiner verpflichtenden Gerichtspraxis als Rechtsanwaltsanwärterin in unser Wiener Büro ein. Das Wiener Team ist personell deutlich kleiner ist als das in Frankfurt und so lernte ich innerhalb der Banking & Finance-Welt schnell alle Bereiche kennen und baute mir eine breite Expertise. Das war gerade am Anfang meiner beruflichen Laufbahn sehr wertvoll für mich.

Durch meinen Wechsel nach Frankfurt konnte ich mich wegen der Größe des hiesigen Teams inhaltlich auf jene Bereiche konzentrieren, die mir am meisten Freude bereiten und am besten zu mir passen. Insofern sehe ich bei der inhaltlichen Ausrichtung der Arbeit den größten Unterschied zwischen den beiden Büros.

Ich kenne den Großteil meiner jetzigen Kollegen aus dem Frankfurter Büro bereits aus meiner Zeit in Wien – zum einen wegen unserer grenzüberschreitenden Arbeit, zum anderen wegen der zahlreichen Events wie europäische Praxisgruppentreffen oder Seminare, wo wir uns regelmäßig begegneten und begegnen. So wusste ich bereits bei meinem Büro-Wechsel, dass die Zusammenarbeit mit den Frankfurter Kollegen auch zwischenmenschlich gut klappen würde - und meistens sprechen wir auch dieselbe Sprache ;)


Herr Verdano, Sie waren, bevor Sie in der Kanzlei starteten, als Finanzberater in einer Bank tätig. Wie kommt Ihnen diese Erfahrung heute zu Gute?

Kieran Verdano: Der erste Schritt in eine gute Beratung ist es, das Geschäftsmodell und die Ziele der Mandanten zu verstehen. Während meiner Zeit in der Bankenbranche konnte ich meine "Beraterpersönlichkeit" entwickeln und die Sprache der Banken lernen, die ich gerne der Kreditnehmerseite bei Bedarf übersetze bzw. näherbringe. Auch hier fließen Recht und Wirtschaft zusammen.

Meine Zeit als Finanzberater hat mich zusätzlich auf einen Punkt vorbereitet, der zumindest im klassischen Jurastudium noch immer zu kurz kommt: das Verhandeln im eigentlichen Sinne. Die Arbeit mit und oft auch am Geschäftspartner / Kunden / Mandanten (manche würden auch sagen: Gericht) ist eine entscheidende Fähigkeit, die für den Berufseinsteiger häufig ein neues Feld ist. Hier brachte ich Vorerfahrungen und ein entsprechendes Auftreten mit. Doch auch in der Kanzlei entwickle ich mich ständig weiter und nutze auch die vielfältigen Fort-und Weiterbildungsangebote.

Als "Banker" war ich als "trusted advisor" gefragt und befasste mich mit einer großen Bandbreite an Themen ein. Das hilft mir heute in meiner täglichen Arbeit als Rechtsanwalt erheblich.


Frau Fritz, Sie sind Counsel und Wirtschaftsjuristin. Weshalb entschieden Sie sich für Wirtschaftsjura und welche Rolle spielt dies heute für Sie in der Praxis?

Silke Fritz: Ich entschied mich damals bewusst gegen das traditionelle Jura-Studium und für ein innovatives und praxisorientiertes Studium. Da mich die Bereiche Recht und Wirtschaft interessierten und der Studiengang Wirtschaftsrecht beide vereint, lag die Entscheidung auf der Hand. Nicht bewusst war mir, dass man mit "diesem Wirtschaftsjuristen" in vielen Kanzleien und Unternehmen lange Zeit recht wenig anzufangen wusste bzw. diesem teilweise auch skeptisch gegenüberstand - sinngemäß, nicht Fisch nicht Fleisch ...

Ich hatte und habe aber das große Glück, dass ich immer auf Arbeitgeber gestoßen bin, die diesem damals noch neuen Studiengang nicht nur offen gegenüberstanden, sondern auch das Potenzial der Absolventen sahen, mich daher forderten und förderten.

Im Alltag gibt es für mich kaum bis keine Unterschiede zu den Volljuristen meines Teams. Diese ergeben sich auch nicht hinsichtlich des Staffings von Projekten oder in der Wertschätzung. Da ich weitestgehend eigenständig arbeite, kann ich zudem meine Arbeit relativ flexibel gestalten.

Wer sich für die Arbeit von Wirtschaftsjuristen in unserer Kanzlei und die Karrieremöglichkeiten interessiert, dem lege ich unsere 9. Podcastfolge ans Herz, in der ich gemeinsam mit meinen Kollegen Stefanie Tuma und Nikolas Lazaridis (beide ebenfalls Wirtschaftsjuristen) zu diesem Thema mit dem Host des "Life with Baker"-Podcasts, Claudia Trillig, unserer HR Director, spreche (s. https://karriere.bakermckenzie.com/en/life-with-baker).

Mit welchen Themen kommen derzeit Ihre Mandanten auf Sie zu?

Silke Fritz: Einen Schwerpunkt stellt der Themenkomplex rund
um die Wirtschaftskrise dar. Viele Unternehmen erholen sich nach der durch Corona hervorgerufene Wirtschaftskrise, die durch den Ukraine-Krieg noch verstärkt wurde, nicht oder nur langsam. Es kommt immer wieder dazu, dass Finanzkennzahlen nicht gehalten werden können und Konditionen von Finanzierungen angepasst werden müssen. Teilweise führt das dazu, dass die Unternehmen restrukturiert werden (müssen).

Kieran Verdano: Dem kann ich nur zustimmen. Wer kann, sucht sich früh Rat. Die Fliehkräfte aus hoher Inflation, schnell steigenden Zinsen und geschwächten Lieferketten zerren an vielen Unternehmen. Man muss hier den Umstand betrachten, dass v.a. Kredite im Unternehmensbereich keine langen Zinsperioden kennen, wie wir sie etwa bei privaten Immobilienfinanzierungen im Idealfall sehen würden. Die Frage nach einer Anpassung laufender Finanzierungen tut sich in vielen Konzernzentralen auf. Dem ordentlichen Kaufmann ist diese Frage derzeit Kopf, was wir auch auf der Finanziererseite merken. Hier geht es um die Frage, ob Verträge so funktionieren werden, wie sie in der langen Niedrigzinsphase einst ausgehandelt worden sind.

Marta Zuliamis: Im Bereich der strukturierten Finanzierungen sehen wir, dass ein großes Interesse an working capital Finanzierungen über den Verkauf von Forderungen besteht. Doch wie von Silke Fritz erwähnt, haben wir es leider auch oft mit der Situation zu tun, dass ein Unternehmen die vor der Krise vereinbarten Kennzahlen oder andere Zusicherungen nicht mehr einhalten kann. In dem Fall müssen bestehende Finanzierungs-Arrangements neu verhandelt und angepasst werden. Und auch die Exportfinanzierungen sind zurzeit sehr beliebt. Sie bringen den großen Vorteil der Staatsdeckung mit und bieten daher eine vergleichsweise günstige Möglichkeit für Unternehmen, auch größere Kreditvolumina aufzunehmen. Dies ist v.a. im steigenden Zinsumfeld eine wichtige Komponente.


Frau Fritz, welche Änderungen gibt es derzeit im Banking & Finance vor dem Hintergrund der neuen Zinsentwicklungen, sprich, dass es keine Negativzinsen mehr gibt?

Silke Fritz: Mit dem Ziel der Inflation Einhalt zu gebieten, erhöhte die Europäische Zentralbank im Juli und im September dieses Jahres den Leitzins, weitere Erhöhungen dürften folgen. Während Sparer sich über das positive Zinsniveau freuen dürften, ist das für Anleger und Investoren keine gute Nachricht. Die wirtschaftliche Gesamtsituation und die teureren Kredite führen derzeit dazu, dass die Akteure ihre Aktivitäten einschränken. So sehen wir aktuell nur wenige Akquisitions- oder Immobilienfinanzierungen; auch die allgemeinen Unternehmensfinanzierungen sind etwas weniger geworden.


Baker McKenzie führte zum 1. Februar 2022 das "2+2+1"-Modell ein und entwickelte damit seine "bAgile" Policy weiter. Wie nutzen Sie dieses Modell in der Praxis?

Silke Fritz: Die Einführung des Models bzw. die Weiterentwicklung von "bAgile" - zwei Tage im Büro arbeiten, zwei Tage von zu Hause arbeiten und am fünften Tag flexibel im Büro oder von zu Hause (oder in sonstiger Weise remote) - stellt in meinen Augen die logische Konsequenz dessen dar, was uns die letzten fast drei Jahre gezeigt und gelehrt haben. Es gibt den Mitarbeitern die Flexibilität, die sie benötigen, und stellt dennoch sicher, dass der "Baker Glue" durch regelmäßige Anwesenheit im Büro und die wichtige direkte Interaktion mit Kollegen, erhalten bleibt. Ich selbst lebe das Modell - ich arbeite gerne von zu Hause oder remote, genauso schätze ich meine Büro-Tage, in denen ich Kollegen und Mandanten persönlich treffe.

Kieran Verdano: Der Fokus liegt klar auf den Arbeitsergebnissen, nicht auf dem Arbeitsort. Als Familienvater weiß ich die Flexibilität, die die Kanzlei bietet, sehr zu schätzen. Es ermöglicht mir z.B., meinen Sohn zu betreuen, wenn meine Frau in ihrer Arbeit Termine oder Spitzen zu bewältigen hat und gleichzeitig muss man nicht die Frage nach dem "Entweder-Oder" stellen. Dadurch, dass wir uns alle regelmäßig im Büro sehen, bleiben Netzwerke und Bekanntschaften aktuell und werden nicht nur zweidimensional auf dem Bildschirm gelebt. Es gibt mir eine Rückmeldung der Wertschätzung - aus meiner Sicht ein Wettbewerbsvorteil im Ringen um Talente.

Marta Zuliamis: Sowohl die Arbeit in Präsenz als auch die Arbeit von zuhause haben ihre Vorteile. Ich bin dankbar in einer Kanzlei tätig zu sein, die es mir erlaubt, den Schwerpunkt meinen persönlichen Präferenzen entsprechend legen zu können. Ich schätze sehr die Option, nicht jeden Tag aus dem Frankfurter Büro heraus zu arbeiten. Dadurch, dass ich in großem Umfang eigenständig arbeite, kann ich so meine Arbeitszeit recht flexibel gestalten. Am Ende macht es die Mischung aus Homeoffice und Arbeit im Büro.












Was betrachten Sie als die größten Herausforderungen im Banking & Finance in den nächsten Monaten?

Silke Fritz: Die angespannte Lage an den Finanzmärkten, die Energiekrise, steigende Zinsen, der vergleichsweise starke Dollar – das alles geht mit großen Herausforderungen einher. Ich blicke gespannt auf die Zukunft und darauf, wann sich die Situation in den verschiedenen Bereichen wieder entspannt und wie sich der Bereich Debt Restructuring in naher Zukunft entwickelt. Uns wird dieser Bereich sowie Refinanzierungen von bestehenden Finanzierungen in den nächsten Monaten voraussichtlich primär beschäftigen.

Kieran Verdano: Die Finanzwelt steht quasi "Kopf", Fremdkapital "hat wieder einen Preis". Die Inflation testet Geschäftsmodelle, Preissteigerungen können nicht unmittelbar und meist auch nicht vollständig weitergegeben werden. Gleichzeitig haben viele Branchen noch volle Auftragsbücher jedoch mit stockenden Lieferketten Schwierigkeiten, die Aufträge abzuarbeiten. Das ist ein Umfeld, in dem es zu einer steigenden Anzahl finanzieller Restrukturierungen kommen könnte. Keiner der Finanzierungsparteien kann daran gelegen sein, bis zu einem Insolvenzantrag auszuharren. Für uns bedeutet das z.B., dass wir uns voraussichtlich verstärkt der Identifikation der Stellschrauben widmen müssen, die in laufenden Finanzierungen justiert werden können. Auch hier wird eine Vielzahl von Interessen unter einen Hut zu bringen sein. Das haben wir gerade in einer finanziellen Restrukturierung eines global tätigen Automobilzulieferers gelebt und dabei eine spannende Transaktion mit guter Lösung für alle Beteiligten erlebt.

Marta Zuliamis: Die Beratung von Mandanten, die wirtschaftlich zu kämpfen haben, ist immer eine Herausforderung. Doch gleichzeitig ist es gerade jetzt entscheidend, seinen Mandanten zur Seite zu sehen, nicht zuletzt um die von Kieran Verdano angesprochenen drohenden Insolvenzen zumindest zum Teil abzuwenden und den Mandanten durch die Krise zu helfen.


Welche Perspektiven bietet der Bereich Banking & Finance aus Ihrer Sicht für Nachwuchs und Wirtschaftsjuristen?

Silke Fritz: Banking & Finance ist sicher ein Bereich, der Absolventen nicht spontan einfällt, wenn sie nach möglichen Fachrichtungen gefragt werden. Auch ich bin zufällig in diesem Bereich "gelandet" – ich habe es nie bereut.

Wen ein Mix aus Schuld- und Sachenrecht, mit Einschlägen aus vielen anderen Bereichen wie Gesellschaftsrecht, Steuern und Außenwirtschaftsrecht nicht abschreckt, wer international und transaktionsbezogen arbeiten will und bereit ist, ein wirtschaftliches Verständnis für den Mandanten zu entwickeln und wer sich für die Wechselwirkungen mit Wirtschaft und Politik interessiert, der ist bei uns richtig und wird mit abwechslungsreicher, spannender und immer wieder auch herausfordernder Arbeit mit guten Karrieremöglichkeiten belohnt.

Kieran Verdano: Gerade hier sehe ich sehr hohe Entwicklungschancen für Nachwuchs- und Wirtschaftsjuristen. Dadurch, dass dieses Gebiet zu Recht als anspruchsvoll gilt und eine hohe Lern- und Wachstumskurve bietet, kommen sie in den Genuss, laufend über sich hinauszuwachsen. Die Welt der Finance Lawyer ist auf höherem Niveau (noch) relativ überschaubar – man kennt sich. Diesen Umstand sollte man als Chance begreifen, den eigenen Business Case zu entwickeln und von anderen gezielt zu lernen. Juristen und Wirtschaftsjuristen, denen eine spannende Karriere mit realen Wachstumsaussichten am Herzen liegt, sind gut beraten, einen Blick zu wagen.

Marta Zuliamis: Mein Eindruck ist, dass der Bereich Banking & Finance von vielen Nachwuchsjuristen unterschätzt wird. Vielleicht ist das darauf zurückzuführen, dass man klassischerweise während des Jura-Studium damit weniger Berührungspunkte als mit anderen Bereichen und deswegen kein klares Bild von der Arbeit eines Banking & Finance Anwalts hat. Neben den unterschiedlichen interdisziplinären Facetten unserer Tätigkeit zeichnet sich der Bereich für mich v.a. durch das transaktionsbezogene Arbeiten aus. Nachwuchsjuristen sollten daher vor allem Spaß am Arbeiten in einem internationalen Team mitbringen, gerne Englisch sprechen, keine Scheu vor Verhandlungen haben und im Idealfall über ein gewisses Organisationstalent verfügen.


Letzte Frage: Drei Stichworte, die Sie mit Banking & Finance verbinden?

Silke Fritz: Interdisziplinär, international und abwechslungsreich

Kieran Verdano: Herausforderung, Spannung, Internationalität

Marta Zuliamis: Transaktionsarbeit, Cross-border, Tempo

Frau Fritz, Frau Zuliamis, Herr Verdano, herzlichen Dank für dieses Gespräch.


Zu den Interviewpartern


Silke Fritz LL.M. ist Counsel der Praxisgruppe Banking & Finance bei Baker McKenzie in Frankfurt. Sie ist Wirtschaftsjuristin und berät seit mehr als dreizehn Jahren Banken, Finanzinvestoren sowie Kreditnehmer in bank- und finanzrechtlichen Angelegenheiten.





MMag. Marta Zuliamis, MIM ist Senior Associate der Praxisgruppe Banking & Finance und arbeitet seit März 2012 bei Baker McKenzie. Die ersten Jahre ihrer beruflichen Laufbahn verbrachte sie im Wiener Büro von Baker McKenzie und ist seit 2018 im Frankfurter Büro ansässig. Sie ist auf die Beratung von Banken, Finanzinstituten und Unternehmen in den Bereichen strukturierte Finanzierungen / Verbriefungen und Exportfinanzierungen spezialisiert.



Kieran Verdano ist Associate der Praxisgruppe Banking & Finance bei Baker McKenzie in Frankfurt. Bevor er im Mai 2022 bei Baker startete, war er mehrere Jahre bei einer Bank als Finanzberater tätig. Er berät Banken, Investoren und Kreditnehmer in allen Fragen des Bank- und Finanzrechts. 

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