Bischof werden ist schon schwer - Bischof sein noch sehr viel mehr
Georg M. Sieber
Ausgerechnet deutsche Bischöfe können als Zeugen katholischer Bildungsmängel benannt werden. Ob FAZ oder SZ – die Redaktionen grämten sich einmütig über bischöflich feinsinnig gestaltete Badewannen und erzbischöfliches Verständnis für Männermenschliches in der untergebenen Priesterschaft. Ein Missverständnis? Eher geht es um blankes Unwissen. Ein Bischof ist nämlich keineswegs ein hochrangiger Seelsorger, der das Abendmahl mit den Gläubigen feiert, aufrechten Männern die Priesterweihe spendet und den wahren Glauben in sich trägt. Die Bezeichnung „Bischof“ hat mit Frömmigkeit und Glauben praktisch nichts zu tun. Dieser hoheitliche Titel repräsentiert eine jahrhundertalte Bildungssünde. Bischof ist ein Beutewort aus dem Griechischen. Man müsste es epi-skopos schreiben. Einfach: epi heißt von oben herab, auf oder auch über. Und skopos: Beobachter, Betrachter und Besichtiger. Der Bischof, der Episkopos im heutigen Sinn wäre Aufseher, wäre Büttel einer obrigkeitlichen Ethik-Instanz.
Da ließe sich gleich einwenden, so ein ganz eingedeutschtes Wort unterliege doch nicht mehr seinen etymologischen Quellen. Dagegen gilt allerdings, dass auch der kühnsten Verbalhornung dort Grenzen gesetzt sind, wo sich die aktuelle Lesart in das Gegenteil der ursprünglichen Lesart verirrt. Und im vorliegenden Fall kann man überdies nicht ernsthaft von eingedeutscht reden.
Im ursprünglichen Wort sind nur ein paar Silbenlaute verrutscht und zwei Konsonanten verschliffen – man erkennt das problemlos noch in lateinischer Schreibweise. Da gab es also zwei solche Aufseher, zu denen das gläubige Volk hätte aufblicken können. Der eine allerdings gab den adeligen Lebemann in der Provinz, der andere den mächtigen Schutzengel eines befreundeten Sexualstraftäters. Das ansonsten trittfeste Kirchenvolk zeigte sich leicht irritiert: Was verstellt einem deutschen Bischof den Blick für Anstand und Sitte? War es der Wein, die Gewürze der Küche, das Flöten- und Saitenspiel oder gar Tanz und Gesang?
Das könnte vielleicht die eine oder andere „Übergriffigkeit“ ausgelöst haben. Aber was ist von einem alkoholisierten Kontrolleur zu halten? Und was von einem enthemmten Sittenwächter? Das Thema hat sich inzwischen beruhigt. Das Christentum hat wohl schon schlimmere Widersprüche ausgehalten. Da bleibt jetzt noch eine nicht ganz formale Frage. Wie kommt es, dass in durchaus weltlichen und sogar militärischen Strukturen das Pyramiden-Format des Personalaufbaus beharrlich als Hierarchie bezeichnet wird? Die Frage kommt nicht von ganz ungefähr, da ja das eigentlich griechische Wort Hierarchie korrekt und nur mit Priesterherrschaft zu übersetzen wäre. Eine vollständige Antwort wäre gewiss einer Recherche wert.
Vorerst begnügen wir uns mit dem Hinweis, dass es einmal eine Zeit gab, in der sich Grundbesitzer und Landesherrn auf eine unmittelbare Berufung durch Gott selber berufen durften. Aus dieser Zeit stammt sicher auch der großherrliche Baderaum und die in eine Männerfreundschaft eingebaute Absolution für Missbrauchstaten.
Wer wäre nicht ganz gern so ein Bischof in einer angesehenen Hierarchie?
Unser Autor
Georg M. Sieber, Jahrgang 1935, ist Diplompsychologe in München. 1964 gründete er sein Institut für Angewandte Psychologie, die Intelligenz System Transfer GmbH (11 Niederlassungen). Sein persönliches Interessengebiet sind Schriften historischer Vorläufer der heutigen Psychologie, de Federico II., Machiavelli, Palladio, Ínigo López de Loyola u.a.
Für den fachlichen Austausch steht er gerne zur Verfügung:
Georg.Sieber@IST-Muenchen.de
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Schloss: Schloss Burg Wasserburg via Pixabay