Zu­viel Lob kann schmerz­en - Glosse

von Georg M. Sieber

Das große Lob von höchst­er Stel­le für die Münch­ner Po­li­zei - auch so­gar von Seit­en der Po­li­zei­ge­werk­schaft – es war in dies­en Ta­gen so fül­lig ge­wirkt, dass man sich gern angeschloss­en hat. Über all dem Lob ge­riet­en al­ler­dings eini­ge selt­same Be­gleit­er­schei­nung­en dies­es bis­her me­dien­in­ten­sivsten Ein­satz­es des Jahr­es aus dem Blick­feld. Die Be­gleit­erschein­ung­en des 22. Juli kön­nen des­we­gen hier jen­seits laut­er Er­folgs­be­rich­te an­ge­sproch­en wer­den.










Um 17.58 Uhr er­leb­te die Po­li­zei­zen­trale einen Damm­bruch: bin­nen we­ni­ger Mi­nu­ten war es vor­bei mit dem ge­wohn­ten Res­pekt vor der polizeili­chen Not­ruf­num­mer. Zu­gleich räch­te sich die Nach­läss­ig­keit, statt sach­liche Ri­si­ken stets mit den für sie fest­ge­legt­en Wör­tern zu be­nen­nen, unter­schied­lich­ste dra­ma­ti­sier­en­de Al­arm­wör­ter zu streu­en.

„Am OEZ wird ge­schoss­en“ ist et­was an­der­es als „Vor dem Im­biß­ge­schäft schießt je­mand um sich.“ „Schüs­se“ oder „Ku­gel­ha­gel“? „Ter­ror-Ang­riff“ oder „Ju­gend­lich­er mit Pis­tole“? Wenn im­mer nur die hef­tig­ste Al­ter­na­ti­ve an­ge­bo­ten wird, kommt schon bald von ganz oben ei­ne „Ter­ror­lage!“ wo eben noch ein über­dreht­er jun­ger Mann mit ei­nem Re­vol­ver fuch­tel­te. An die­sem ge­wit­tri­gen Sommera­bend galt es of­fen­sicht­lich wohl, rasch die Auf­merk­sam­keit der oberen Leit­ungs­eben­en zu ge­win­nen und deren Ent­schluss­freude an­zuheiz­en.

Wer sei­ner Freu­de am Über­trei­ben und Zu­spitz­en frei­en Lauf lässt, der darf sich na­tür­lich nicht wun­dern, wenn es ihm die Leute gleich­tun. So bekam Mün­chen glück­lich­er­wei­se an die­sem Abend keine an­halt­en­de Ter­ror- son­dern schon bald da­nach eine Amok-Lage und noch später eine Nach­richt­en­la­ge.

Zu den an­fäng­lich­en Über­treib­ung­en tru­gen hand­werk­liche Feh­ler ein Gut­teil bei. So hatt­en die Ein­satz­kräf­te an­schei­nend kei­nen Mel­de-Code ver­ein­bart, wie man was an die Me­dien weit­er­ge­ben soll­te. Woll­te je­mand die Zahl der To­des­opf­er ge­heim halt­en?

Die über lan­ge Stun­den be­schwor­en­en „min­des­tens drei Tä­ter“ hätt­en durch­aus auch 10 Per­so­nen sein kön­nen. Der ein­zi­ge Tä­ter lag nach sei­nem Sui­zid über eine Stun­de lang un­be­ach­tet in ei­ner Ne­ben­stra­ße, der­weil die Jagd auf wei­te­re Phan­tom­tä­ter wei­ter­lief.

Und die große Zahl der Ver­letz­ten? Wenn es wirk­lich 27 war­en, wirk­te der Hin­weis auf vier Per­so­nen mit Schuss­ver­letz­ung­en wie eine list­ige Stol­per­fal­le. Viel zu spät rück­te man da­mit her­aus, dass 23 Ver­letz­te nicht dem Schütz­en sel­ber zu­zu­rech­nen war­en.

Und wer in all­er Welt schick­te die Be­amt­en mit vor­ge­halt­en­er Waf­fe und Räum­pa­ro­len im Sturms­chritt durch dicht be­völ­ker­te Stra­ßen? Er müss­te ei­gent­lich den Zu­sam­men­hang mit der Viel­zahl von Falsch­mel­dung­en bin­nen kürz­est­er Zeit durchschaut haben. Ob der Stopp für alle Nah­ver­kehrs­mit­tel zu den hand­werk­lich­en Feh­lern zu zäh­len ist, soll­te früh­es­tens de­bat­tiert wer­den, wenn die ge­rade da­durch an­ge­rühr­te Misch­ung auch Angst und Ärger ab­zu­kühl­en be­ginnt. Bis dahin soll­te man das wich­tige Lob der Ein­satz­kräf­te nicht all­zu apo­di­ktisch her­aus­stel­len. Denn zu viel Lob kann schmerz­en.

 









Unser Autor

Ge­org M. Sie­­­ber, Jahr­­­­­gang 1935, ist Di­­­­­plom­­­psy­­­­cho­­­­­­lo­­­ge in Mün­­­­­chen. 1964 grün­­­­­de­­t­e er sein In­­­s­­ti­­­­­tut für An­­­­­­ge­­­­­­wand­­­­­te Psy­­­­cho­­­­­­lo­­­­gie, die In­­­­­te­l­­l­i­­­­­genz Sys­­­­tem Tran­s­­­­­­fer GmbH (11 Nie­­­der­­­­­las­s­­­un­­g­­en). Sein per­­­­­­sön­­­­­­li­ch­­es In­­­­­te­r­­­­­es­­­sen­­­­­­ge­­­­­biet sind Schrif­­­­t­­en his­­­­­­to­­­r­­i­sch­­­­er Vor­­­­­­läu­­f­­­er der heu­­­­t­­i­­­gen Psy­­­­­cho­­­­­­lo­­­­­gie, de Fe­­­­de­­r­­­i­­co II., Ma­­­chi­a­­­­vel­­li, Pa­­­l­la­­d­i­o, Í­­ni­­go Ló­­pez de Lo­­­yo­­­la u.a.

Für den fach­­­­­li­ch­­­en Aus­­­­­tausch steht er ger­­­ne zur Ver­­­­­fü­­g­­­ung: 089 / 16 88 011 oder per e­Mail:

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© Bild "Polizeiabsperrung": fotodo - Fotolia.com  


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