Der Mandant ist das Ziel

Tipps zur Vorbereitung auf das Bewerbungsgespräch in einer Großkanzlei

Leistungsbereitschaft, Pünktlichkeit und ein eher konservatives Outfit. Beim Bewerbungsgespräch für den ersten Job kommt wohl kaum ein Jurist um diese Standards herum. Kommt die Einladung zum Jobinterview von einer Großkanzlei, gibt es weitere Punkte zu beachten, damit der erste Eindruck überzeugt.

„Es mag banal erscheinen, aber irgendwann taucht im Interview sicherlich die Frage auf: Warum will man ausgerechnet in einer Großkanzlei arbeiten?“

Beantworten lässt sich diese Frage nur, wenn man sein Gegenüber kennt. Denn Großkanzlei ist nicht gleich Großkanzlei. Geratet wird, sich im Vorfeld mit der Mentalität des künftigen Arbeitgebers vertraut zu machen. Die „Visions, Missions, Statements“ oder die Aussagen zur Corporate Culture, die einige Kanzleien veröffentlichen, geben erste Hinweise. Diskussionsforen im Internet und Branchenmedien liefern weitere Indizien. Während einige Kanzleien für hohe Einstiegsgehälter und herausfordernde Arbeitszeiten bekannt sind, punkten andere Firmen beispielsweise mit einer guten Work-Life-Balance.

Einstellungsmarathon contra individualistische Atmosphäre

Entsprechend fällt auch das Format der Bewerbungsgespräche recht unterschiedlich aus: Bei angel­sächsisch geprägten Kanzleien gibt es oftmals einen eintägigen „Probetag“, an dem der Anwärter möglichst viele Partner kennenlernt und eventuell schon am gleichen Abend eine Zu- oder Absage erhält. Bei anderen Kanzleien sind die Einstellungsgespräche sehr stark vom individuellen Partner, der Nachwuchs für sein Team sucht, abhängig. Hier sollten Jobeinsteiger ihren Gesprächs­partner möglichst gut kennen und sich vorab über seine Projekte und Arbeitsfelder informieren.

Trotz aller Verschiedenheit teilen Großkanzleien allerdings auch einen Anspruch: „Sie begrüßen es, wenn Absolventen schon Vorwissen in einem bestimmten Fachgebiet mitbringen, da ja auch die Kanzleien in fachspezifischen Teams organisiert sind“, meint Seeland-Winkmann. Dieses Fachwissen sollte man belegen können – zum Beispiel durch die Schwerpunktsetzung im Studium oder die Referendarszeit. Das Interesse an bestimmten Fachthemen kann auch mit privaten Kontakten begründet werden: Wer einen Anwalt und dessen Arbeitsweise in der Großkanzlei kennt, kann besser einschätzen, inwieweit er sich auf diesem Karriereweg engagieren will.


Dienstleistungsmentalität erwünscht

Jobeinsteiger sollen sich mit anderen Associates der Kanzlei auszutauschen, um ein Gefühl für die Firmenkultur der jeweiligen Kanzlei zu bekommen. Bietet der künftige Arbeitgeber dies sogar an, sollte man die Chance unbedingt nutzen. Hier sind Fragen angebracht, die Auskunft über die Entwicklungschancen im Unternehmen geben: Wächst der Fachbereich? Wie hoch ist die Fluktuation von Associates, und was wird für ihre Weiterbildung getan?

Außerdem empfiehlt man Bewerberinnen und Bewerbern, beim Gespräch in der Großkanzlei eine gewisse Praxisnähe an den Tag zu legen: Neben der ausgezeichneten juristischen Qualifikation ist das praktische Wissen entscheidend. Nicht nur reines Bücherwissen, sondern die Fähigkeit im Sinne des Mandanten zu denken, ist gefragt. Wer bereits in Unternehmen tätig war oder bestimmte Branchen kennt, ist klar im Vorteil. Zudem ist die Arbeit in einer Großkanzlei ein Dienstleistungsjob, Berufseinsteiger sollten sich also überlegen: Möchte ich mir – im Laufe der Karriere – das unternehmerische Grundwissen und die zwischenmenschlichen Fähigkeiten aneignen, um auf Augenhöhe mit Mandanten verhandeln zu können?

Mut zur eigenen Persönlichkeit

Schließlich ist ein weiterer Punkt wichtig: Authentizität. Wer sich im Gespräch anders gibt als er ist, kann später im Job leicht ins Schlingern geraten. Dann zeigt sich nämlich, ob derjenige oder diejenige tatsächlich zur Kanzlei passt. Und wer nach dem Einstieg den Job schnell verliert, hat es unter Umständen schwerer, woanders Fuß zu fassen. Der Rechtsanwalt gibt zu bedenken, dass zur Authentizität auch die Nachweisbarkeit der eigenen Stärken gehört: Ausgezeichnete Englischkenntnisse können leicht getestet werden, wenn mitten im Gespräch vom Deutschen ins Englische gewechselt wird.

Englisch und ein durch Auslandsaufenthalte belegtes Maß an Internationalität sind übrigens in vielen Großkanzleien ebenfalls Standard. Schließlich verfügen die meisten über Standorte außerhalb Deutschlands. Wer zusätzliche Sprachkenntnisse mitbringt, sammelt weitere Pluspunkte – vorausgesetzt, dass sich die Sprache für die Akquise potenzieller Mandanten eignet.

Um authentisch zu sein, gehört eine gute Portion Ehrlichkeit mit sich selbst dazu. Manche Berufsanfänger und -anfängerinnen haben etwa einen Wunschstandort im Kopf, an dem sie unbedingt arbeiten möchten. Sie sollten vorher allerdings gut überlegen, ob dort das für sie relevante Fachteam stark ist. Will man sich in einem bestimmten Gebiet wirklich weiterentwickeln, sollte man vielleicht besser an den Standort wechseln, an dem die Kanzlei in diesem Gebiet ihren Schwerpunkt hat.

Fakten, Fakten, Fakten

Neben allgemeinen Informationen über die Kanzlei sollten Bewerber und Bewerberinnen ganz konkret Wissen über das Arbeitsgebiet, für das sie sich bewerben, sammeln: Wie ist der Spezialbereich organisiert? Wie unterscheidet er sich vom Wettbewerb? Des weiteren lohnt es sich, schon vorab herauszufinden, welche Mandanten oder Branchen für den potenziellen Arbeit­geber wichtig sind. Bei der Klärung dieser Fragen sind eine umfangreiche Recherche und der Blick ins Internet unabdingbar.

Idealerweise sollten Jobeinsteiger schon eine Woche vor dem Gesprächstermin mit der Recherche beginnen. Eines der Themen, mit denen Bewerbungsgesprächen wiederholt konfrontiert wurde, war die Frage, weshalb eigentlich nicht der Wettbewerber ein attraktiverer Arbeitgeber sei. „Entsprechend sollte man sich schon gut auf sein Gegenüber vorbereitet haben. Das schließt natürlich die Kenntnis der aktuellen, öffentlich gemachten Projekte und Mandate mit ein. Dann kann man die Entscheidung für die Wunschkanzlei auch objektiv gut begründen.

Außerdem sollten Berufsanfänger bedenken: In einer Großkanzlei gibt es in aller Regel einen Partner, der personalverantwortlich ist, und einen Partner, dem man inhaltlich zugeordnet ist. Wie genau später der Arbeitsalltag aussieht, hängt von beiden Partnern ab und sollte schon während des Bewerbungsgesprächs erfragt werden.

Echtes Interesse als Schlüssel zur Kanzlei

Viele Anwälte haben die Erfahrung gemacht, dass mit dem 2. Staatsexamen das juristische Fachwissen im Allgemeinen belegt ist und nicht mehr abgefragt wird. Arbeitszeugnisse sowie das Wissen aus der Praxis sind hingegen deutlich wichtiger. Bewerbungsgespräche für den ersten ‚richtigen’ Job sind daher umfangreicher als etwa solche bei der Bewerbung für eine Stage im Rahmen des Referendariats. Dabei rücken oft interessante Stationen und außergewöhnliche Details im Lebenslauf viel stärker in den Fokus des Interesses – auf Fragen danach sollten Jobeinsteiger eine begründete Antwort liefern können.

Aber nicht nur gute Antworten sind gefordert. Auch die richtigen Fragen sollten im Vorfeld gut überlegt sein. Wenn es nämlich darum geht, mehr über die Kanzlei zu erfahren, tappt manch ein Bewerber schnell in eine selbstgebaute Falle: Fragen Berufseinsteiger nur nach dem Umfang der Arbeitszeiten und der Freizeit, hinterlässt das beim potenziellen Arbeitgeber kein gutes Bild, sagt Knott. Was im Gespräch letztendlich zählt, ist das echte Interesse an der Kanzlei.

© Luther Rechtsanwälte & Karriere - Jura GmbH

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