Prüfen oder Kontrollieren - wo liegt der Unterschied?
Georg M. Sieber
Für Wikipedia hat jemand gesucht und wurde fündig: 167 Synonyme für kontrollieren - in 8 unterschiedlichen Bedeutungen. Offensichtlich war das Quellwort „control..“ ehedem besonders beliebt. Man kann die Abkömmlinge noch heute beinahe nach Belieben verwenden.
Wer für ein paar DAX-Unternehmen im Aufsichtsrat sitzt, lässt gern über sich schreiben, er „kontrolliere“ so oder so viele Marktanteile der Branche. Man soll glauben, der Mann steuere, lenke und leite, beherrsche also ganze Wirtschaftsbereiche. Die Wortbedeutung im Sinne von beherrschen blühte im 19. Jahrhundert auf. Wenn also heute jemand die Kontrolle eines Geschäftsfeldes laut- hals reklamiert, wird das ohne weitere Nachfragen als Machtanspruch verstanden. „Er kontrolliert 10-tausend Wohneinheiten“ bedeutet: er hat da ein starkes Wort mitzureden. Ob seine Macht direkt oder nur indirekt ist – entscheidend ist vor allem, dass sie wirkt, Dies verweist den Begriff Kontrolle in den vielfarbigen Bereich der politischen und gewiss auch der geschäftsbezogenen Rede.
Man spürt noch das Alter der Wortgeschichte, in der „controllum“ den Ort bezeichnete, an dem sich zwei Kontrahenten zum Duell verabredet hatten. Hier offen- barten sich Kraft und Geschick der Gegner. Später, der Zweikampf der Heerführer verlor an Bedeutung, machten sich Wortpiraten erfolgreich über das nun herrenlose controllum her, den ehemaligen Duellplatz. Es gab kaum mehr Erinnerungen an das alte Wort. Ohnehin herrschte Begriffsnot durch die lebhaften, neuen Naturwissenschaften. Lateinisch? Griechisch? Man langte nach links oder rechts. Zu den letzten in der Reihe der Nachnutzer gehörte die um 1900 auf-trumpfende naturwissenschaftliche Psychologie mit dem gelernten Sprachpathologen und Ankläger des Sprachmissbrauchs in der neuen Psychologielehre: Julian B. Rotter (1916-2004) verwendete das Wort Kontrolle metaphorisch zur Erklärung des Entstehens von Impuls und Hemmung (siehe: Suchbegriff „Soziales Lernen“).
Damit öffnete er Tür und Tor für sprachstumpfe Interessenten. Seither muss sich der wissenschaftliche Nachwuchs mit den unscharfen Gegensatzpaaren external vs. internal, extrinsische vs. intrinsisch, extravertiert vs. introvertiert abplagen. Intern und extern hätte durchaus genügen müssen.
Für die heutige juristische Sprache scheint dieses „kontrolliert“ oder „Kontrolle“ allzu beliebig zu sein. Das hat zwar den Vorteil vielseitiger Einsetzbarkeit, der gern genutzt wird. Dem steht allerdings der Nachteil gegenüber, der fast zwangsläufigen Unschärfe entgegenwirken zu müssen – durch definitorischen Aufwand, durch Beispiele und adjektivische Justierung. Kontrollieren und prüfen sollten daher nicht weiter synonym verwendet werden. Denn Prüfen fordert 1. festgelegte Prüfmerkmale, 2. deren maßstäbliche oder statistische Normierung und 3. die Befugnis für die abschließende Entscheidung, ob und inwieweit das geprüfte Objekt verworfen oder angenommen werden soll. So soll also nach DIN 1319 mittels Prüfen festgestellt werden, ob ein Objekt die geforderten Merkmale aufweist.
Kontrollieren und Prüfen sind also durchaus unter- schiedliche Tätigkeiten. Synonyme Verwendung zeigt sprachliche Hilflosigkeit an. Es mag Vorteile bieten, die Kontrolle über einen Betrieb einem Wirtschaftsprüfer anzuvertrauen.
Die Nachteile allerdings sind vorprogrammiert. Das ist der Grund, warum der Gesetzgeber lieber von Überwachung als von Kontrolle spricht, wenn er (in neuerer Textfassung) die Aufgabe etwa eines Aufsichtsrats gegenüber dem Handeln und Entscheiden eines Vorstandes erklären will.
Auch wenn sich Wirtschaftsprüfer zu einer Unter- nehmensberatung zusammentun, wächst wohl die benötigte „Kontrollkompetenz“ keinesfalls aus dem Nichts, obwohl gerade dies manche internationale Beratungsgesellschaft glauben machen will. Die kumulierte Prüfkapazität der Partner würde meistens nicht einmal dazu ausreichen, kriminelle Strategien eines Mandanten zu durchschauen. Deswegen schreibt der Gesetzgeber dem Aufsichtsrat wie dem Unternehmer ausdrücklich ins Poesiealbum, ihre Aufgabe sei die Überwachung der mit leitenden Aufgaben versehenen Personen.
Merke: Kontrolle herrscht über Entscheidungen und über Handlungen. Prüfung jedoch herrscht über Material und Gerät.
Unser Autor
Georg M. Sieber, Jahrgang 1935, ist Diplompsychologe in München. 1964 gründete er sein Institut für Angewandte Psychologie, die Intelligenz System Transfer GmbH (11 Niederlassungen). Sein persönliches Interessengebiet sind Schriften historischer Vorläufer der heutigen Psychologie, de Federico II., Machiavelli, Palladio, Ínigo López de Loyola u.a.
Für den fachlichen Austausch steht er gerne zur Verfügung:
Georg.Sieber@IST-Muenchen.de
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